«Les jours des éphémères»

Festival für ephemere Kunst, 4. Ausgabe, Alpines Museum der Schweiz | Helvetiaplatz 4 | 3005 Bern

Freitag 9. September - Samstag 10. September 2016

Beteiligte Kunstschaffende: Christine Bänniger, Daniela Brugger, Mareike Drobny & Nicolas Vionnet, Ian Hager, Karin Heinrich, Jürgen Krusche, Lukas Veraguth, Nesa Gschwend, Sybille Völkin

 

 


Christine Bänninger

Wellenberge

Dem Thema «Aufstieg und Absturz» begegne ich mit einem Algenmeer, dem Gebirge das Meer entgegensetzen! Seit einigen Jahren beschäftige ich mich mit Algenblättern als Kunst-Material.
Algen sind die ältesten Lebewesen der Erde. Man nimmt an, dass sie seit über 3 Milliarden Jahren existieren. In der Entwicklungs- geschichte gelten die Mikroalgen gar als Ur- und Muttersubstanz der gesamten Vegetation. Ohne Algen wäre unsere Erde eine einzige Wüste. Die Mikroalgen erzeugen bis 90% des Sauerstofes auf unserem Planeten und sie sind überall zu finden: im Wasser und Boden, in der Luft, in eiskalten Gletschern, ebenso in kochenden Geysiren, aber auch im menschlichen Darm. Die Gemälde von Ferdinand Hodler - und das Meer – dieses Aufeinandertreffen weckt viele Gedanken und Bilder einerseits aus der Vergangenheit, aber auch aus aktuellster Gegenwart.

Die Berge an ihrem Ort, mit ihrer Faszination, Risiken, Leben und Tod, Leistungsbeweise,
Schönheit, Stille, Freiheit...
Im Gegensatz das Meer, in seiner ständigen Bewegung, mit dunklen Tiefen, seinem Rauschen, Salzgeruch, Stürme, Sehnsucht...
Die Berge und das Meer gehören zusammen. Alles ist eine Welt. Ich möchte mit meiner Performance für ein paar Stunden eine Verbindung dieser beiden Elemente herstellen und sie eine Zeitlang zusammen wirken lassen“.

Performance


Daniela Brugger

FFOAAM Vol. 7

„Der einfach konstruierte Plastik Pool steht im leeren Raum und ist mit Flüssigkeit gefüllt. Die Aktion beginnt mit dem Starten der Maschine. Durch die Luft, welche mittels Schlauch in die Schaummatte geblasen wird, bilden sich Blasen und die Schaumskulptur beginnt unmittelbar zu wachsen. Nach einer Weile schwappt der Schaum über das Plastikbecken auf den Boden und wächst langsam aber kontinuierlich weiter. Abhängig von der Bewegung der Besucher und der Grösse des Ausstellungsraumes wechselt das fragile Volumen während dem Wachsen die Form und gerät selbst in Bewegung. Der scheinbar unendlich wachsende Schaum berührt Wände und Fenster und während er sich an einer Stelle noch aufbaut, beginnt an anderen Stellen bereits der Abbau. Die Skulptur beinhaltet dadurch unterschiedliche Dichten und Zustände gleichzeitig. Der transparente Charakter des Schaums lässt die Besucher und den Hintergrund teilweise verschmelzen und es ist nicht immer ersichtlich, wo genau die Grenze zu ziehen ist. Nach einer Stunde stoppt das Pumpen der Maschine, der penetrante Ton verhallt und die Dekonstruktion nimmt ihren Lauf. Was am Ende bleibt, sind die Pfützen.

Schaum Skulptur


Mareike Drobny & Nicolas Vionnet

29.53059 Tage

„Von den Königswänden war sie abgestürzt... Wie war sie hinaufgelangt, wo bei dem Märzschnee kaum der beste Bergsteiger hinaufkam? Sie war eben hinaufgekommen - sie! Noch bei Nacht - der Mond schien hell - mußte sie das Haus verlassen haben, ohne daß einer von ihren Leuten es gemerkt hatte. In der leuchtenden Mondnacht mußte sie hinaufgestiegen sein. Um was dort oben zu tun? Wollte sie etwa Edelweiß pflücken? Im Märzschnee! Was immer sie dort oben zu tun hatte, jedenfalls lag sie am frühen Morgen unter den wilden Wänden inmitten des Anemonenfeldes. Jeder andre von dort oben Abgestürzte wäre auf der Stelle tot gewesen. Judith Platter lebte noch.“ Voss Richard

„Unsere Arbeit mit dem Titel “29,53059 Tage“ ist eine Videoprojektion die innerhalb eines Ausstellungstages eine komplette Mondphase nachstellt.

Die Arbeit will nicht im Vordergrund stehen und richtet sich in erster Linie an die Achtsamkeit des
geduldigen Betrachters. Wird der schattenhafte Mond durch den Besucher entdeckt, so ist es vorerst kaum möglich eine Bewegung auszumachen. Wie ein Standbild scheint der Erdtrabant still zu stehen.
Erst nach mehreren Minuten wird klar, dass sich die Form des Mondes kontinuierlich verändert. Von
seiner vollen Lichtgestalt nimmt der Mond langsam ab, bis er verschwindet, wieder auftaucht und langsam zunimmt. Die Arbeit fordert somit ein waches Interesse und zwingt den Betrachter den Moment bewußt wahrzunehmen.

Schritt für Schritt, vergleichbar wie ein Bergsteiger der das Ziel des Gipfels vor Augen hat um sich oben angekommen von der Ekstase wie ein Vogel in die Weite tragen zu lassen, so unaufhaltsam schliesst sich der Mond zur Vollendung, zur Vollmondnacht. Ist es schon soweit? Oder fehlt noch ein Hauch zur Vollkommenheit? Es beginnt der Abstieg.“

Projektion 24h


Ian Hager

„Wann bist du dran?“

Die Installation besteht aus einem Raum mit einer Tür. Klopft ein Besucher an die Tür, wird von innen ein kleiner Schieber beiseite geschoben und nach dem vollen Namen der Person gefragt. Ein paar Sekunden später wird der Besucher hineingelassen. Im Innenraum erwartet den jeweiligen Besucher ein Grabstein auf dem sein Name steht. Konfrontiert mit dem eigenen Tod stellen sich für den Besucher viele Fragen und er wird für einen Moment – genauso wie die ephemere Kunst in sich – selbst zur Eintagsfliege.

Installation und Aktion


Jürgen Krusche

Negentropic Sculptures

„Seit drei Jahren arbeite ich an einer Serie von Interventionen im öffentlichen Raum, den Negentropic Sculptures. Diese fanden bisher in Zürich, Shanghai, Hong Kong, Berlin, Belgrad und anderen Städten statt. Es sind kleine, unscheinbare Interventionen, die darin bestehen, vorgefundene Unordnungen neu zu ordnen oder kaputte Dinge provisorisch zu reparieren. Die Eingriffe sind der Versuch der allgegenwärtigen Entropie der Materie entgegenzuwirken: es sind neg-entropische Aktionen. Auf jede vorgefundene Situation muss neu reagiert werden, der Eingriff wird zu einem kreativen Akt, zu einem skulpturalen Eingriff. Es sind Arbeiten in situ, im öffentlichen Raum. Sie sind von begrenzter Dauer – im besten Sinne ephemere - und werden nach ihrer Fertigstellung der Entropie wieder ausgesetzt. So existiert manche „Skulptur“ nur einige Sekunden, bevor der Wind die neue Ordnung wieder zerstört.
Formal gibt es Referenzen zu Arbeiten der Minimal Art oder Land Art. Doch sind sie aufgrund ihrer Zerbrechlichkeit und Vergänglichkeit anders. Sie sind auch Ausdruck eines Bedürfnisses der Heilung. Vor allem die Arbeiten in Belgrad sind geprägt von diesem heilenden Impetus. Dieser Akt des Ordnens und Reparierens erscheint hoffnungslos und vergeblich. Er ist von Anfang an zum Scheitern – zum Absturz - verurteilt. Aber genau das macht die Menschlichkeit dieser Arbeiten aus. Sie können gelesen werden als Metapher oder Symbol, als Poesie oder als Aufforderung einen Anfang zu machen, mag er noch so klein und unscheinbar sein“.

Fotografie & Installation


Karin Heinrich

Alalin

In vier Eisfeldern sind Drucke von zersetzten Bergsteigerutensilien eingefroren. Ausgestellt, beginnt das Eis zu schmelzen und schlussendlich lösen sich auch die Bilder mit dem Schmelzwasser komplett auf. Farben und Detaillierungsgrad verändern sich während dem Auftauen.

Als Abzüge möchte ich übertragene Fotos von zersetzten Gegenständen aus dem Rucksack meines Onkels ins Eis einfrieren. Er verunglückte an Ostern 1970 in einer Spalte des Alalinglestchers, wurde 45 Jahre vom Gletscher mitgetragen und im August 2015 vom Gletscher wieder freigegeben“.

Eisbilder


Lukas Veraguth

Cyanotypien

Auf  einer eintägigen Wanderung im Vorfeld der Ausstellung habe ich über den Tag verteilt an verschiedenen Standorten, über die Zeitdauer von fünf Minuten, Schatten mit Hilfe der Cyanotypie eingefangen und festgehalten. Als Verweis auf diese eintägige Aktion in den Bergen sind die entstandenen Cyanotypien im Rahmen des 4. Festivals „Les jours des éphémères“ zu sehen.

Cyanotypie ist ein altes fotografisches Verfahren aus dem 19. Jahrhundert, welches auf Eisenbasis beruht. Charakteristisch für die Technik ist der typische cyanblaue Farbton. Das Verfahren ist einfach zu handhaben. Die lichtempfindliche chemische Lösung kann auf saugfähiges Papier, Holz oder Leinwand aufgetragen werden. Durch den Schattenwurf von Gegenständen entstehen Fotogramme, welche durch das UV-Licht belichtet werden. Die anschliessende Entwicklung erfolgt mit Wasser“.

Installation


Nesa Gschwend

Foldings

Alles faltet sich, entfaltet sich, faltet sich wieder neu bei Leibniz, man nimmt in den Falten wahr, und die Welt ist in jeder Seele gefaltet, die selbst wieder diese oder jene Region der Welt entfaltet, gemäss der Ordnung von Raum und Zeit. Gilles Deleuze

„In Foldings wird ein etwa 5 x 6 m grosser Teppich am Boden ausgebreitet. Er ist mit Wachs und Pigmenten bearbeitet und durch Nähte in ein Raster aufgeteilt. Die Oberfläche ist mit einer Schicht weisser Kreide bedeckt.

Um dieses Feld kreist eine Person. Sie zieht ihre Jacke und Schuhe aus und betritt barfuss die weisse reine Fläche. In einem Spiel nimmt sie den Raum ein, verwischt ihre Spuren. Sie legt sich in die Mitte des Feldes. Die Kreide färbt die schwarzen Kleider weiss ein. Mit kaum wahrnehmbaren Bewegungen der Hände zieht sie den ausgebreiteten Teppich zu sich. Durch die Versteifung mit dem Wachs bleiben die Falten stehen.
Sie verdichten sich rund um ihren Körper. Die ursprüngliche Form des Teppichs bleibt durch den Kreidestaub sichtbar, der durch die Bewegung über den Rand hinausfiel. Die Person löst sich aus den Falten steht auf und verlässt den Raum.“

Objekt – Installation „Das gefaltete Objekt bleibt zurück. Wie es sich falten wird ist von kleinsten Bewegungen abhängig und lässt sich nicht im Voraus bestimmen. In der Mitte bleibt die Leerstelle des Körpers. Am Rand bleibt die Markierung des ursprünglichen Raumes, die sich mit der Zeit immer mehr verwischt. Am Ende wird der Teppich aufgerollt, die Kreide weggewischt und nichts bleibt mehr, ausser einer flüchtigen Erinnerung. Der Teppich, als ursprünglich nomadisches Objekt kann weiterwandern, für einen kurzen Zeitraum einen neuen Raum definieren.

Performance & Objekt


Sibylle Völkin

Mountain Drama

„Das aktuelle Ausstellungsthema von „les jours des éphémères“ dreht sich um das Gemälde, welches Ferdinand Hodler für die Weltausstellung in Antwerpen im Jahre 1894 schuf. Fragmente dieses Gemäldes hängen heute – 122 Jahre später - im Alpinen Museum. Ein Fragment, welches ich daraus für das aktuelle Wettbewerbsthema herausgegriffen habe, ist der sich auf dem Gemälde befindliche Schnee. 1894 sah man vor lauter Weiss wohl kaum die Farben der Alpinen Landschaft. Reichlicher Schnee war eher Grund, welcher gegen einen Aufenthalt im Alpinen Raum sprach. Im Gegensatz zu heute, wo Schweizer Alpenregionen für den internationalen Tourismus den Schnee oft künstlich erzeugen, um Besucher anzulocken und damit touristisch wettbewerbsfähig zu bleiben.

Das damalige «drame de l'alpinisme» wird für meine Arbeit aus einem anderen, aktuellen Winkel betrachtet zum „mountain drama“. Verlust von Schnee und intakter Natur und das damit einhergehende Risiko für Mensch und Umwelt – Themen, die unsere Gesellschaft aktuell mehr denn je umtreiben. Konkret werde ich für die Ausstellung eine fotografische Aufnahme (100 x 100 cm) einer alpinen Landschaft mit Schneeflecken mit einem künstlichen Schneeflecken (aus gefrorenem Wasser) dreidimensional aufmodellieren“. Die Arbeit entsteht in Zusammenarbeit mit dem WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, Davos.

ephemere Eisskulptur